In Ingolstadt laufen die Planungen zu einer Mittelschule unter der Trägerschaft der Stadt Ingolstadt und zu einem Förderzentrum unter der Trägerschaft des Bezirks Oberbayern, die beide auf einem gemeinsamen Areal Platz finden sollen. Bei einem Wettbewerb wurden vier Entwürfe mit einem Preis ausgezeichnet.

Pressemitteilung der Stadt zum Ergebnis des Wettbewerbs: https://www.ingolstadt.de/Home/Neuer-Schulcampus-in-Friedrichshofen.php?object=tx,2789.5&ModID=7&FID=3052.17992.1

Im Ratsinformationssystem der Stadt Ingolstadt findet sich der ursprüngliche Auslobungstext für den Wettbewerb: https://www.ingolstadt.de/sessionnet/getfile.php?id=185299

Wenn nun im weiteren Verlauf im Stadtrat und im Bezirkstag der Entwurf ermittelt wird, nach dem die beiden Schulen gebaut werden sollen, stellt sich folgende Frage: Wie nah dürfen sich die beiden Schulen kommen?

Um der Antwort näher zu kommen, lohnt sich ein Blick in die UN-Behindertenrechtskonvention.

Auf nachfolgender Seite findet sich die UN-Behindertenrechtskonvention zum Artikel „Bildung“ im Wortlaut und dazu eine Erläuterung:

„Ausgehend vom Prinzip der Gleichberechtigung gewährleistet die UN-Behindertenrechtskonvention damit ein einbeziehendes (inklusives) Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen.“

Dabei ist sicherzustellen, dass behinderte Menschen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden.

https://www.behindertenrechtskonvention.info/bildung-3907/

Die Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule, auch K-Schule genannt, steht unter der Trägerschaft des Bezirks Oberbayern. Für die verschiedenen Einrichtungen Bezirks ernennt der Bezirkstag aus seiner Mitte Referenten. Seit 2018 nehme ich die Funktion des Referenten für die JNVK-Schule mit Heilpädagogischer Tagesstätte wahr und kann deshalb folgendes berichten:

In der Johann-Nepomuk-von-Kurzschule werden die Kinder bestmöglich betreut. Gemäß des Förderschulkonzeptes werden kleine Klassen gebildet. Unterricht und therapeutische Maßnahmen gehen Hand in Hand. Bei Bedarf erhalten Kinder während der Unterrichtszeit therapeutische Anwendungen. Viele Kinder können nach dem Unterricht am Nachmittag die Heilpädagogische Tagesstätte besuchen. Parallel dazu steht ein sog. offene Ganztagsbeschulung zu Verfügung. Lehr – und Therapiekräfte und die Schul- und Einrichtungsleitungen kümmern sich vorbildlich darum, die Kinder von der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) bis zu einem möglichen Mittelschulabschluss bestmöglich zu fördern und zu betreuen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurde 2008 verabschiedet und von Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, „Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen“ und stellen dabei sicher „dass behinderte Menschen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden“.

https://www.behindertenrechtskonvention.info/bildung-3907/

Trotz dieser hervorragenden Betreuung bei uns in Ingolstadt muss man die Frage stellen, ob das bayerische Förderschulkonzept an sich vollumfänglich dem Gedanken der Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht.

Die Kinder in einem Förderzentrum genießen den Aufenthalt in einem besonders geschützten Raum. Wie aber kann es gelingen, die Kinder aus einer geschützten Umgebung heraus zur „wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen“? Wie früh oder wie spät dürfen die Kinder mit der Wirklichkeit konfrontiert werden? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrem nächsten Lebensabschnitt wieder in einer geschützten Umgebung verbringen?

Eine Möglichkeit, Menschen mit Behinderung eine Alternative aus dieser Parallelwelt zu ermöglichen, liegt darin, mehr Kindern mit Behinderung gemäß der UN-BRK im allgemeinen Bildungssystem zu inkludieren.

Die Eltern haben formal das Wunsch- und Wahlrecht, ob ihre Kinder im besonderen oder im allgemeinen Schulsystem unterrichtet werden. In unserem allgemeinen Bildungssystem fehlen, von Ausnahmen abgesehen, dafür allerdings hinten und vorne die Voraussetzungen. Es fehlt oft an der baulichen Voraussetzung und an der personellen Unterstützung, die für einen erfolgreichen Besuch der allgemeinen Schule, einer sog. Regelschule, notwendig wäre.

Die JNvK-Schule platzt aus allen Nähten. Deshalb ist nun ein Neubau erforderlich. Das schöne Gelände am Kavalier Elbracht verlässt man nur sehr schweren Herzens. Aber es hilft ja nichts.

Aufgrund eines überschaubaren Angebots an Flächen hat man die Möglichkeit gefunden, die JNvK-Schule und eine Mittelschule gemeinsam auf einem Areal in Friedrichshofen unterzubringen. Diese Konstellation bietet große Chancen für die Zukunft, der Inklusion näher zu kommen.

Bei öffentlichen Bauten der heutigen Zeit kann man davon ausgehen, dass die bauliche Barrierefreiheit mitgeplant und umgesetzt wird. Um der Wunsch- und Wahlfreiheit zu entsprechen, muss das Unterstützungsangebot an Regelschulen für Kinder mit Behinderung massiv ausgebaut werden. Dafür müssen die Schulkonzepte sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene weiterentwickelt werden. Diese Entwicklung braucht noch Zeit und vor allem braucht es ein Bekenntnis zur Inklusion.

Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde mit langem Vorlauf vor 15 Jahren auf den Weg gebracht. Bis wir den Forderungen gerecht werden, gibt es aber noch viel zu tun. Die Planungen Schulbauten, die wir heute beginnen, müssen mindestens für die Entwicklung der Schulen in den nächsten 30 bis 40 Jahren im Blick haben. Wir müssen in den nächsten Monaten entscheiden, welcher der vier prämierten Entwürfe die zukünftige Entwicklung und die Möglichkeit der Inklusion am besten berücksichtigt.

Nach meiner Überzeugung kann das am besten gelingen, wenn man die beiden Schulen miteinander verzahnt. Diese Verzahnung und der Austausch zwischen den Schulen kann meiner Ansicht nach am besten mit dem Entwurf des zweiten Preisträgers gelingen, der die Schulen nahe zusammenbringt und nicht gegenüberstellt.